Kaum ein Beruf hat die weltweite Repräsentation Schweizer Kulinarik so geprägt, wie der des Zuckerbäckers aus Graubünden. Sankt Petersburg, Marseille, South Hampton und Palermo – überall in Europa konnten Kunden die Süsswaren und Kaffeespezialitäten der Schweizer Konditoren kaufen und geniessen. Eine Tradition, die nicht aus der Heimat der Bäcker stammt, sondern sich durch einen regen Austausch der Konditoren Familien überall auf der Welt manifestierte. Doch wie kam es eigentlich zu der Berühmtheit der Süsswarenproduzenten? Und welche Bürden mussten sie teilweise auf sich nehmen, um ein erfolgreiches Leben im Ausland führen zu können?
Wir haben die spannendsten Fakten rund um die Geschichte der Graubündner Zuckerbäcker für Sie zusammengefasst. Denn um etwas Spannendes zu erleben, muss man oft gar nicht verreisen. Die grössten Schätze findet man manchmal vor der eigenen Haustür.
Wenn Sie heutzutage über die Schweizer Zuckerbäcker lesen, klingen die Geschichten oft wie ein Märchen. Doch hinter dem weltweiten Ruhm und den zahlreichen Erfolgsgeschichten stehen viel harte Arbeit, Durchhaltevermögen und der Aufbruch ins Ungewisse. Der Ursprung der Zuckerbäckerbewegung war nämlich schlichtweg die Armut. Traditionell brachen die Söhne einer Familie aus der Region um Graubünden mit 14 bis 15 Jahren, nach ihrer Kommunion, in die Ferne auf. Viele der angehenden Konditoren verschlug es anfangs in die Hauptzentren der Bewegung: Venedig, Palermo, Florenz oder Triest. Aufgrund eines Handelsstreits zwischen Italien und der Schweiz reisten viele der Zuckerbäcker nach 1766 in ganz Europa herum. So breitete sich die Tugend der fleissigen Arbeiter in viele verschiedene Länder aus. Eine Tradition, die nicht nur einen grossen Kundenstamm sicherte, sondern auch der Schweizer Qualität zu europaweiter Bekanntheit verhalf.
Doch die Geschichten der Zuckerbäcker sind nicht nur von Erfolgserlebnissen geprägt. Die Branche, in der Kinderarbeit als Regel galt, forderte auch ihre Tribute. Mittellos, verzweifelt und auf sich allein gestellt, zogen viele junge Zuckerbäcker in eine unbekannte Zukunft. Doch der Mut und Fleiss vieler junger Männer zahlte sich aus. Im 19. Jahrhundert waren Zehntausende der Bündner Zuckerbäcker in Europa verteilt, betrieben Lokale, Konditoreien und Kaffeehäuser, in denen sie begeisterte Kunden mit süssen Gaumenfreuden verwöhnten.
Das Handwerk der Bündner Zuckerbäcker unterscheidet sich massgeblich von dem Schaffen der Konditoren in der heutigen Zeit. Weit entfernt von Industrialisierung und der Arbeit mit Maschinen, wurde von den Bündner Zuckerbäckern grundsätzlich alles von Hand hergestellt. Ob Marzipanmasse, Schokoladenmousse oder Limonaden – die Spezialitäten der Schweizer Bäcker waren alle hochwertig und individuell. Neben Süsswaren und Kaffee, verstanden sich einige der Auswanderer auch in der Zubereitung von Konfitüre, sowie dem Destillieren von Likör.
Auch der Kaffee hat in der Geschichte der Zuckerbäcker einen ganz besonderen Platz. Wussten Sie, dass es die Schweizer Auswanderer waren, die in Venedig als Erste den koffeinhaltigen Wachmacher ausschenkten? Doch die Popularität der Kaffeehausbetreiber in den engen Gassen Venedigs zog auch zahlreiche Neider an. Trotz, oder vielleicht genau wegen Ihres Erfolgs waren die Schweizer Zuckerbäcker in der italienischen Stadt bald nicht mehr gern gesehen.
Ihnen läuft das Wasser im Mund zusammen und Sie würden gern einmal selbst die Köstlichkeiten der Bündner Zuckerbäcker kosten? Leider haben die erfolgreichen Konditoren ihr Handwerk überall in Europa bekannt gemacht, in ihrer Heimat jedoch gibt es nahezu keine Spuren der kulinarischen Vergangenheit. Das Café Hanselmann in St. Moritz ist zwar keine originale Graubündner Gründung, orientiert sich aber dennoch stark an den Zuckerbäckern der Vergangenheit. Ein Tipp für alle Schweizer, die 2020 lieber zu Hause verbringen und trotz schwieriger Bedingungen kleine kulinarische Reisen in ihrem Heimatland planen.